Vortragsreihe „Pflanzenschutz: Leben oder Gift?“

Kommunikation gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dass das auch im landwirtschaftlichen Bereich und gerade bei heiklen Themen gilt, zeigt die Vortragsreihe „Pflanzenschutz: Leben oder Gift?“

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Lebensmittelproduktion ist gesellschaftlich umstritten, die Debatte verschärft sich zunehmend. Die Inhalte der Kommunikationskampagnen entsprechen vielfach nicht der Realität, sondern sind überzogen, idyllisch oder skandalisierend. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass das Wissen über die heimische Landwirtschaft und über die Produktion von Lebensmitteln bei Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend verloren geht, da mittlerweile ein direkter Bezug zu einem landwirtschaftlichen Betrieb fehlt.

Wirtschaften am Land

Eine aktive Kommunikation durch Vertreter der Agrarbranchen, Interessenvertreter oder durch Bäuerinnen und Bauern selbst ist wichtiger denn je. Diese Problematik nahm der Verein Wirtschaften am Land zum Anlass, zusammen mit Expertinnen und Experten eine hochkarätige Vortragsreihe zu organisieren, der am 26.11.2021 stattfand.

Gewonnene Schweizer Volksabstimmung als Vorbild einer gelungenen Kommunikation

Dass bei gesellschaftlich heiklen Themen eine aktive Kommunikation ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist, zeigte die Kampagne des Schweizer Bauernverbandes (SBV) gegen die Volksinitiative „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“, die am 13. Juni 2021 für die Schweizer Bevölkerung zur Abstimmung stand. Diese konnte nach erfolgreicher Kampagne des SBV in allerletzter Minute gedreht werden und wurde letztendlich von den Schweizerinnen und Schweizern mit 60% abgelehnt. Für Urs Schneider, den stellvertretenden Direktor des SBV, lagen die Gründe für den Erfolg darin begründet, dass richtige Antworten auf die thematisierten Herausforderungen gefunden werden konnten und Leistungen, die die Schweizer Landwirtschaft bereits erbringt, in Richtung Gesellschaft kommuniziert werden konnten. Es wurde dabei auch klargemacht, dass Landwirtinnen und Landwirte weiterhin fortschrittlich und zukunftsoffen arbeiten wollen, getreu nach dem Motto: „Wir wollen besser werden!“ Letzten Endes war das authentische Auftreten der Bäuerinnen und Bauern, die mit Herzblut an der Kampagne aktiv mitwirkten, ein maßgeblicher Erfolgsfaktor.

Aktive Kommunikation – sachlich und faktenbasiert

Kommunikationsexperte Daniel Kapp zeichnete daraufhin, zusammen mit Dr. Christian Stockmar von der IGP, ein Bild der Kommunikation am Beispiel Pflanzenschutz, das auf einem proaktiven anstelle eines reaktiven Modells basieren muss. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist für Kapp das Gespräch mit Stakeholdern, um alle Verantwortlichen mit einzubinden und sich so ein breites Kommunikationsfeld zu eröffnen. Mit einem „Stufenplan“ muss es letztendlich gelingen, Meinungsführer in diesem heiklen Themenbereich zu werden.

Im ersten Schritt ist es wichtig, sich und seinen Themen Gehör zu verschaffen. Darauf baut das Agenda Setting und die Entwicklung eines eigenen Narrativs auf. Als Meinungsführer bzw. Opinion Leader ist es schließlich möglich, selbst Positiv-Themen zu setzen und Forderungen zu stellen. Eine positive und auf Fakten basierte Diskussion, geprägt von Erklärungen über die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln, konkret formulierte Forderungen und die Findung neuer, technikaffiner Zielgruppen lässt eine wirkungsvolle und produktive Kommunikation in die breite Masse entstehen.

Stand der Wissenschaft & zukünftige Herausforderungen

Großes Interesse lösten die beiden Vorträge von Univ.-Prof. DI Dr. Siegrid Steinkellner, Leiterin des Instituts für Pflanzenschutz an der Universität für Bodenkultur (BOKU) und von DI Thomas Resl MSc, Direktor der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen, aus. Steinkellner präsentierte neueste wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich Pflanzenschutz, zu denen vor allem die Themen zu Schaderregern und Pflanzenschutzmittelrückständen rege diskutiert wurden und warum Pflanzenschutz viel mehr als Notwendigkeit anstatt als Übel gesehen werden muss.

Große Herausforderungen und massive ökonomische Auswirkungen bringt der Europäische Green Deal mit sich, wie DI MSc. Thomas Resl vorzeichnet. Zwei Strategien sind dabei maßgeblich: Einerseits die Farm-To-Fork-Strategie („vom Hof auf den Tisch“), andererseits die Biodiversitätsstrategie 2030. Die damit verbundenen Folgen stellen die Landwirtschaft und die Pflanzenschutzbranche vor neue Herausforderungen, auf die es sich vorzubereiten gilt. Unter anderem soll der Einsatz chemischer Pestizide insgesamt sowie gefährlicher Pestizide im Speziellen bis 2050 um 50% reduziert werden, während eine ökologische Bewirtschaftung von 25% der landwirtschaftlichen Flächen in der EU vorgesehen ist. Modellrechnungen zeigen als Reaktion etwa einen starken Rückgang der landwirtschaftlichen Urproduktion mit steigenden Importe und sinkenden Exporten. Diese Entwicklung kann auch von steigenden Preisen und sinkenden Kosten nicht mehr kompensiert werden. Ob Umweltziele so erreicht werden können, ist zudem fraglich.

Die richtige Kommunikation nach neuestem Wissensstand

Die Kommunikation wird in der kommenden Zeit mit Sicherheit eine Schlüsselrolle einnehmen. Auch komplexe agrarische Themen müssen verständlich und wirkungsvoll vermittelt werden. Dieser Aufgabe nimmt sich Wirtschaften am Land an. Die Vortragsreihe „Pflanzenschutz: Leben oder Gift?“ ist Anstoß für neue Denkweisen und Basis für kommunikative Erfolge.

Urs Schneider: „Gewonnene Schweizer Volksabstimmung über Pflanzenschutzmittel-initiativen vom 13. Juni 2021: Erfahrungen, Lehren, Folgerungen, Erfolgsfaktoren.“

Univ.-Prof. DI Dr.Siegrid Steinkellner: „Notwendigkeit oder Übel? Fakten oder Meinungen? Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse im Pflanzenschutz.“

DI Thomas Resl M.Sc.: „Ökonomische Auswirkungen der Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie laut Studien.“

Dr. Christian Stockmar: „‚Innovation Deal‘: Eine positive Story für die Landwirtschaft.“