Agrarphotovoltaik: Landwirtschaftliche Nutzung muss im Vordergrund stehen

Es braucht klare Regeln für Agrar-Photovoltaikanlagen, um Spekulationen mit wertvollem Boden zu verhindern.

Heimische Bauernfamilien ringen zunehmend um die Wirtschaftsgrundlage Boden. Neben Flächen für Verkehr, Siedlungen, Industrie und Straßen beanspruchen auch Groß- investoren immer stärker diese kostbare Ressource für Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wurde beschlossen, die Erzeugung von Photovoltaik-Strom von derzeit 1,8 Mrd. kWh auf ca. 13 Mrd. kWh pro Jahr bis 2030 zu steigern. Oberste Priorität bei diesem Ausbau hat die Nutzung von bereits versiegelten Flächen, wie Dachflächen oder Gebäude-Fassaden.

In der Landwirtschaft besteht dafür viel Potential. Ehemalige Schottergruben oder Deponieflächen, die nicht mehr genutzt werden, kommen dafür etwa in Frage. Allerdings werden diese Flächen alleine nicht ausreichen, um die Stromerzeugung im notwendigen Ausmaß zu erhöhen. Freiflächenanlagen ohne landwirtschaftliche Nutzung oder mit sehr eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten (z.B. Abweidung durch Schafe) entziehen der Landwirtschaft dauerhaft wichtige Produktionsflächen und sollen laut Bauernvertretern nur für sehr ungünstig zu bewirtschaftende Standorte freigegeben werden.

Schafe & Kartoffeln nutzen Schatten von PV-Paneelen

Um den mit 16 Fußballfeldern pro Tag ohnehin schon zu hohen Bodenverbrauch nicht noch weiter durch die großflächige Errichtung von Freiflächenanlagen voranzutreiben, gibt es bereits innovative Ansätze. Die Stromerzeugung kann gleichzeitig mit der landwirtschaftlichen Nutzung einer Fläche funktionieren. Diese sogenannten Agrar-PV- Anlagen werden direkt auf Wiesen, Weiden, Äckern oder Sonderkulturflächen installiert. Im Gegensatz zu klassischen Freiflächenanlagen, bei denen keine Bewirtschaftung der Flächen mehr möglich ist, soll bei diesem Konzept weiterhin die Lebensmittelproduktion im Vordergrund stehen.

PV-Module auf Dächern von Gewächshäusern dienen zur Beschattung, aber auch die teilweise Überdachung von Obstanlagen ist möglich. Dort übernehmen PV-Module die wichtige Funktion der Hagelschutznetze. Auch Ackerflächen können trotz installierter Photovoltaikanlage bewirtschaftet werden.

Agrarphotovoltaik-Modellanlage der RWA in Pöchlarn

Hohe Ständer oder Gerüste mit verschiebbaren Modulen erlauben die Durchfahrt von Maschinen und damit eine streifenförmige Bewirtschaftung. Sogenannte „bifaziale“ Module können beidseitig Sonneneinstrahlung absorbieren und Strom erzeugen. Wer- den die Module vertikal aufgestellt, so können beschattete Flächen reduziert werden. Das löst auch das Problem des fehlenden Niederschlags unter den Modulen.

Beschattung, verändertes Mikroklima und Abschirmung von Niederschlägen wirken sich auf den Pflanzenertrag aus. Bei Kulturen wie Weizen oder Kartoffel sind laut einer Studie der Universität Hohenheim in heißen, trockenen Jahren sogar Erntesteigerungen möglich. Zu den Auswirkungen auf die Kulturen wird intensiv geforscht. Fallen Mindererträge an, können diese durch den Erlös aus dem Stromverbrauch ausgeglichen werden. Darüber hinaus können PV-Module als Schattenspender dienen und in Geflügelausläufen Schutz vor Greifvögeln bieten.

Klare Regelungen sind nötig

Für Bauernfamilien ist ausschlaggebend, ob die landwirtschaftliche Nutzung bei Freiflächenanlagen künftig im Vordergrund steht. Als landwirtschaftlichen Hauptzweck definiert das Finanzministerium die Haltung von mindestens 1.650 Masthühnern oder 660 Legehennen pro Hektar. Die Verwendung von PV-Modulen zum Schutz von Obstkulturen wird ebenso akzeptiert. Bei Modulen über Äckern muss es möglich sein, die Fläche mit normalen landwirtschaftlichen Geräten zu bewirtschaften. Die Module dürfen nicht mehr als 25% der gesamten Fläche überdecken. Werden diese Grenzwerte nicht beachtet, können für den Betrieb auch steuerrechtliche Nachteile auftreten, da die Flächen nicht mehr Teil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens sind.

Einsatzmöglichkeiten Agrar-PV
Einsatzmöglichkeiten von Agrar-Photovoltaik

Es kann nicht sein, dass sich große Investoren mit „grün“ erzeugtem Strom aus Agrarphotovoltaik rühmen, während die Fläche tatsächlich aber nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann. Daher müssen die Bundesländer klare Regeln schaffen, auf welchen Flächen Agrarphotovoltaik möglich und auch sinnvoll ist. Wird das bei der Ausweisung der Flächen für Agrarphotovoltaikanlagen nicht sorgfältig beachtet, dann hat das zur Folge, dass Investoren die Pachtpreise für „photovoltaikfähige“ Flächen in die Höhe treiben und Pächter aus der Landwirtschaft nicht mehr zum Zug kommen.

Chance: Steigerung der Wertschöpung je Hektar

Ziel ist, dass Betriebe partnerschaftlich zusammenarbeiten und an der gemeinsamen Energieproduktion beteiligt sind. Zu diesem Zweck wurden auch Energie- gemeinschaften im EAG auf den Weg gebracht. Dabei kann selbst erzeugte Energie regional eingespeist und gemeinsam genutzt werden. So bietet sich für unsere Bäuerinnen und Bauern die Chance, die Wertschöpfung einer Fläche nachhaltig zu steigern. Österreichs Bäuerinnen und Bauern können auf diese Weise gleichzeitig Produzenten hochwertiger Lebensmittel sein und als wichtiger Teil der Energiewende den Umstieg auf erneuerbare Energie vorantreiben.